6. Besonderheiten in anderen Ländern
6.1 Anwendungsbereich der DSGVO
Gemäß Artikel 3 DSGVO findet diese Anwendung auf alle Unternehmen, die ihren Sitz im sogenannten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) haben. Der EWR umfasst neben den EU-Mitgliedsstaaten auch die Länder Norwegen, Island und Liechtenstein. Darüber hinaus findet die DSGVO auf Unternehmen Anwendung, die sich mit ihren Angeboten gezielt an den europäischen Markt richten, auch wenn sie ihren Sitz nicht in Europa haben. Entsprechend muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit dem Versand eines Newsletters, d.h. in der Regel die Nutzung der E-Mail-Adressen der Betroffenen, (auch) an den Anforderungen der DSGVO gemessen werden.
Als Rechtsgrundlage für den Versand von Marketing E-Mails kommen die Buchstaben a) und f) des Artikels 6 der DSGVO in Frage.
Consent
Die Einwilligung nach Artikel 6 a) in Verbindung mit Artikel 7 DSGVO stellt den Regelfall der Rechtfertigung des Newsletterversandes dar und wird so auch für gewöhnlich durch die meisten Unternehmen eingebunden. Die Voraussetzungen der Einwilligung sind bereits in Kapitel B ausführlich beschrieben worden.
Legitimate interests
Im Rahmen des Beschwerdemanagements für die CSA ist die Beschwerdestelle nicht selten mit Fällen konfrontiert, bei denen Versender sich darauf berufen, die Zusendung kommerzieller E-Mails sei aufgrund des Vorliegens berechtigten Interesses gemäß Artikel 6 f) der DSGVO erfolgt.
Reicht das Vorliegen berechtigten Interesses für die Versendung kommerzieller E-Mails?
Nein, es reicht nicht aus! Vorrangig ist die sogenannte E-Privacy-Richtlinie (sog. Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002) sowie deren nationale Implementierungen. Die E-Privacy-Richtlinie sieht vor, dass gemäß Artikel 13 entweder eine Einwilligung erteilt werden muss oder die Werbe-E-Mail unter den strengen Voraussetzungen einer bestehenden Kundenbeziehung versendet wird. Das berechtigte Interesse allein genügt nicht, auch nicht im Rahmen einer Kundenbeziehung.
Konkretisiert wird diese Regelung durch die nationalen Gesetze, in Deutschland bspw. durch die Regelungen des § 7 UWG. Darüber hinaus hat die nationale Rechtsprechung zu den genannten Voraussetzungen Kriterien entwickelt, die ein Versender berücksichtigen und entsprechende Nachweise vorhalten sollte.
Ohne Vorliegen einer Einwilligung im Sinne der DSGVO müssten daher folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- bestehende Kundenbeziehung
- Werbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen
- der Kunde oder die Kundin muss klar und deutlich die Möglichkeit erhalten, eine solche Nutzung gebührenfrei und problemlos abzulehnen und
- die Kundin oder der Kunde hat diese Nutzung nicht von vornherein abgelehnt.
Die genauen Details sind in Kapitel 2.5 für die deutsche Rechtslage geschildert. In allen europäischen Ländern sollte diese Richtlinie umgesetzt sein und somit gleiche Regelungen bestehen.
Zusammenfassung
Als Versender kommerzieller E-Mails reicht es nicht aus, sich auf das Vorliegen berechtigten Interesses zur Verwendung personenbezogener Daten beim E-Mail-Marketing zu berufen. Auf Grund der E-Privacy-Richtlinie gelten diese Regeln unabhängig vom Herkunftsland, sondern immer für den Marktort.
Rechtssicher handelt daher der Versender, der sich auf eine Einwilligung oder – ausnahmsweise – auf eine bestehende Kundenbeziehung berufen kann.
Dies entspricht auch den Anforderungen der CSA, die in ihren Kriterien ausschließlich das Vorliegen einer dieser beiden Möglichkeiten für die zertifizierten Versender vorsieht.
6.2 Österreich
6.2.1 E-Mail-Marketing in Österreich und die DSGVO
In Österreich gehen die Regelungen zum E-Mail-Marketing im TKG 2021 bzw. der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation den Bestimmungen des österreichischen Datenschutzgesetzes (DSG) und der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) grundsätzlich als „lex specialis“ vor. Daraus folgt, dass z.B. die Zulässigkeit einer Kontaktaufnahme zu Werbezwecken nach den Bestimmungen des TKG 2021 zu beurteilen ist und nicht ausschließlich nach Artikel 6 DSGVO.
Die österreichische Datenschutzbehörde (DSB) hat allerdings entschieden, dass in bestimmten Fällen durch einen Verstoß gegen die Bestimmungen zum E-Mail-Marketing im TKG 2021 auch eine Verletzung des „Rechts auf Geheimhaltung“ nach § 1 Abs. 1 DSG und eine Verletzung von Bestimmungen der DSGVO vorliegen kann (DSB vom 07.03.2019, DSB-D130.033/0003-DSB/2019). Die beworbene Person kann demnach etwa in ihrem Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG verletzt sein, wenn die Einwilligung nicht den Erfordernissen des Artikel 4 Ziffer 11 DSGVO entspricht (siehe dazu unten). In diesem Fall steht den Betroffenen auch eine Datenschutzbeschwerde gemäß Artikel 77 Abs. 1 DSGVO zu.
Zusammenfassung
Die Zulässigkeit einer Kontaktaufnahme für E-Mail-Werbung richtet sich nach dem TKG 2021. Die Vorschriften der DSGVO sind im E-Mail-Marketing aber dort anwendbar, wo die besonderen Bestimmungen des TKG 2021 nicht vorgehen, wie z.B. bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Einwilligung zur Datenverarbeitung.
6.2.2 Der Rechtsrahmen in Österreich
Der Rechtsrahmen für E-Mail-Marketing in Österreich bleibt auch nach Inkrafttreten der DSGVO, der Novellierung des österreichischen Datenschutzgesetzes (DSG) und der kürzlich in Kraft getretenen Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG 2021) fragmentiert.
Die Regelungen für E-Mail-Marketing sind nach wie vor Bestandteil des österreichischen Telekommunikationsrechts und seit November 2021 im neuen TKG 2021 (vormals TKG 2003) geregelt. Im Rahmen des dortigen „Sonderdatenschutzrechts“ findet sich im 14. Abschnitt des TKG 2021 die zentrale Bestimmung für E-Mail-Marketing in Österreich in § 174 TKG 2021 unter der Überschrift „Unerbetene Nachrichten“.
Genauer gesagt finden sich die zentralen Bestimmungen für E-Mail-Marketing in §°174 Abs. 3 bis Abs. 6 TKG 2021. Betroffen von diesen Bestimmungen sind E-Mails an Verbraucher (B2C) und an Unternehmen (B2B).
Die (neuen) TKG-Regelungen zum E-Mail-Marketing sind – ohne Übergangsbestimmungen – seit 01.11.2021 in Kraft und Geltung und bleiben inhaltlich unverändert.
In den erläuternden Bemerkungen zum Gesetzgebungsentwurf des TKG 2021 (man spricht auch von Gesetzesmaterialien – sie spiegeln die Vorstellungen des Gesetzgebers wider) finden sich keinerlei Aussagen zum neuen § 174 TKG 2021, so dass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die bisherigen Regelungen zu § 107 TKG 2003 aufrechterhalten wollte. Es kann angenommen werden, dass die bestehende Rechtsprechung zu § 107 TKG 2003 auch auf die geltende Rechtslage übertragbar ist.
Zusammenfassung
In Österreich gilt seit dem 01.11.2021 das neue Telekommunikationsgesetz 2021 (TKG 2021). Die Bestimmungen zum E-Mail-Marketing bleiben unverändert.
6.2.3 Anwendungsbereich
Ob die österreichischen Bestimmungen zum E-Mail-Marketing anwendbar sind oder nicht, ist nach dem sog. „Empfängerland-Prinzip“ zu bestimmen. Das Empfängerlandprinzip bedeutet, dass immer jenes Recht anzuwenden ist, dem der Empfänger/die Empfängerin der E-Mail unterliegt. Diese „Tatortfiktion“ ist in Österreich in § 174 Abs. 6 TKG 2021 geregelt. Eine im Ausland begangene Übertretung ist daher an dem Ort strafbar, an dem die Nachricht den Anschluss des Teilnehmers/der Teilnehmerin erreicht. Dabei soll es nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte nicht auf den Server-Standort ankommen, sondern auf das jeweilige Endgerät selbst, wo die verpönte Wirkung im Ergebnis eintritt (VwGH 19.12.2013, 2012/03/0052).
Zusammenfassung
Die Vorschriften des TKG 2021 über unerbetene Nachrichten gelten dann, wenn die Nachricht ein Endgerät in Österreich erreicht („Empfängerland-Prinzip“), unabhängig davon, von welchem Land und über welchen Server-Standort die Nachricht gesendet wurde.
6.2.4 Zulässigkeit des E-Mail-Marketings – Einwilligung
Grundsatz des „Opt-In“
Die Bestimmung des § 174 Abs. 3 TKG 2021 sieht für die Zulässigkeit von E-Mail-Marketing grundsätzlich ein „Opt-In“-Verfahren vor. Das heißt, dass E-Mail-Marketing grundsätzlich nur erlaubt ist, sofern der Adressat/die Adressatin vorher eingewilligt hat.
Konkret ist nach § 174 Abs. 3 TKG 2021 eine Einwilligung des Adressaten/der Adressatin der E-Mail in die Zusendung einer „elektronischen Post“ dann notwendig, „wenn die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt“.
Wesentliche Begriffsbestimmungen
Was unter „elektronischer Post“ zu verstehen ist, sagt uns Artikel 2 lit. h) der EU-Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation („Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation“) und gleichlautend §°160 Abs. 3 Ziffer 13 TKG 2021. Die Bestimmungen des TKG 2021 basieren auf der bezeichneten EU-Richtlinie und setzen deren Regelungen in nationales Recht um.
Demnach ist unter „elektronischer Post“ „jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird“, zu verstehen.
Die österreichische Regelung in § 174 Abs. 3 TKG 2021 umfasst in Entsprechung der EU-Richtlinie (siehe dort den 40. Erwägungsgrund) ausdrücklich auch die Zusendung von SMS.
Nach der weiten Definition der EU-Richtlinie und des TKG 2021 fallen unter „elektronische Post“ aber jedenfalls auch MMS sowie Nachrichten im Rahmen von Messenger-Diensten, sozialen Netzwerken oder Online-Plattformen.
Der Begriff der „Direktwerbung“ ist weder in der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation noch im österreichischen Recht näher definiert. Deshalb ist hier einerseits auf die Gesetzesmaterialien sowie andererseits auf die von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Interpretationen und Auslegungsgrundsätze zurückzugreifen. Eine erste Orientierung gibt die EU-Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung, die u.a. den Begriff der “Werbung” definiert (RICHTLINIE 2006/114/EG vom 12. Dezember 2006). Danach bedeutet Werbung im Allgemeinen die Absatzförderung von Waren und Produkten, vgl. Artikel 2 der Richtlinie.
Eine weite Auslegung des Begriffes „Direktwerbung“ verlangten bereits die Gesetzesmaterialen zum TKG 2003, die unter diesem Begriff jeden Inhalt verstehen, der für ein bestimmtes Produkt, aber auch für eine bestimmte Idee, einschließlich bestimmter politischer Anliegen wirbt oder dafür Argumente liefert. Weiters besagen die Vorstellungen des Gesetzgebers, dass der Begriff „Direktwerbung“ im Lichte der Erfahrungen und Bedürfnisse der Praxis zu sehen und daher weit zu interpretieren ist.
Dieses weite Begriffsverständnis des Gesetzgebers haben der Oberste Gerichtshof (OGH) und der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) weiterentwickelt, die – in Orientierung an den Gesetzesmaterialien – wiederholt die Auffassung vertreten haben, dass der Begriff der Direktwerbung auch jede Maßnahme umfasst, die dazu dient, auf ein eigenes Bedürfnis und die Möglichkeit seiner Befriedigung hinzuweisen, wobei auch schon die Anregung zur Inanspruchnahme bestimmter Leistungen diesem Begriff unterstellt werden kann. Die Gestaltung als Newsletter oder Informations-Mail schadet dabei für die Qualifikation als Werbung nicht (OGH vom 30.09.2009, 7 Ob168/09w; VwGH vom 19.12.2013; 2011/03/0198). Es liegt somit nach der Rechtsprechung der beiden Höchstgerichte – ungeachtet der Bezeichnung und der Gestaltung der E-Mail-Nachricht – Direktwerbung vor, wenn von dem Absender/der Absenderin bezweckt wird, Absatzförderung zu betreiben.
Das Begriffsverständnis von „Direktwerbung“ ist somit zum einen dynamisch zu verstehen und immer im jeweiligen Einzelfall „im Lichte der Erfahrungen und Bedürfnisse der Praxis“ zu betrachten und zum anderen nicht rein formal nach dem äußeren Erscheinungsbild zu bewerten, sondern nach Zweck und Inhalt, die einzeln oder zusammen der Absatzförderung dienen müssen. Demnach ist auch eine E-Mail mit der eine Einwilligung zum E-Mail-Marketing eingeholt werden soll, bereits selbst als „Direktwerbung“ zu verstehen und daher im Vorhinein einwilligungspflichtig, sofern diese E-Mail-Nachricht nicht ausschließlich dazu dient, Empfänger:innen zu authentifizieren (VwGH vom 26.06.2013, 2012/03/0089; siehe dazu im Folgenden näher).
Die Einwilligung als zentrales Anknüpfungskriterium des § 174 TKG 2021
Durch die in § 174 Abs. 3 TKG 2021 geforderte Einwilligung wird das sog. „Opt-In“-Prinzip verwirklicht. Die Einwilligung muss vor dem Versand der E-Mail eingeholt werden.
Es bestehen im TKG 2021 keine näheren Formvorschriften für die Einwilligung. In systematischer Auslegung ist auf die DSGVO zurückzugreifen. Das heißt somit auch für eine Einwilligung gemäß § 174 TKG 2021, dass diese im Sinne von Artikel 4 Ziffer 11 DSGVO
- freiwillig,
- für den bestimmten Fall,
- in informierter Weise und
- unmissverständlich
zu erteilen ist und jederzeit widerrufen werden kann.
Von besonderer Relevanz sind in diesem Kontext insbesondere die folgenden beispielhaften Konstellationen:
- Die Anmeldung zum Bezug elektronischer Informationen muss von Vornherein freiwillig erfolgen und darf nicht eine verpflichtende Bedingung z.B. im Zusammenhang mit einem Produktkauf darstellen. Ansonsten wäre das Erfordernis der Freiwilligkeit nämlich nicht erfüllt und die Einwilligung ungültig. In dieser Konstellation, wenn die Einwilligung zu einer Verarbeitung vertragsunabhängiger personenbezogener Daten mit einem Vertragsabschluss „gekoppelt“ wird, ist das datenschutzrechtliche Koppelungsverbot des Artikel 7 Abs. 4 DSGVO zu beachten.
- Die Anmeldung muss sich auf den Bezug elektronischer Informationen von einem/einer bestimmten Absender:in oder mehreren bestimmten Absender:innen beziehen. Ist für den/die Empfänger:in von vornherein nicht klar, von welchem Unternehmen oder welchen Unternehmen er/sie beworben werden soll, kann er/sie die Tragweite seiner/ihrer Entscheidung nicht erkennen. Er/Sie wäre damit in Unkenntnis der vollständigen und wahren Sachlage und seine/ihre Einwilligung wäre daher ungültig.
Die Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung des Empfängers/der Empfängerin trifft den Versender/die Versenderin der E-Mail.
Aus diesem Grund hat sich in Österreich das „Double-Opt-In Verfahren“ als standardmäßige Vorgehensweise für E-Mail-Marketing etabliert. Darunter wird im Allgemeinen die Einholung der Einwilligung eines Empfängers/einer Empfängerin in einem zweistufigen System verstanden, das eine Anmeldung zum Bezug elektronischer Informationen etwa auf der Webseite des Anbieters/der Anbieterin vorsieht, der in einem ersten Schritt die individuelle Nachricht an die angegebene E-Mail-Adresse folgt, dass für diese E-Mail-Adresse eine Anmeldung erfolgt ist. Erst nach einer auf diese individuelle E-Mail gegebene, die Anmeldung bestätigende Antwort oder vergleichbare Reaktion (z.B. durch Anklicken eines Links in der E-Mail) erfolgt die Zusendung von Werbenachrichten.
Die Bestätigung bzw. Reaktion durch den Empfänger/die Empfängerin ist letztendlich maßgeblich und stellt den dokumentierten Beweis der Einwilligung für den nachfolgenden Versand von E-Mail-Werbung dar.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die übermittelte E-Mail-Nachricht ausschließlich zur Authentifizierung der bekannt gegebenen E-Mail-Adresse dient und nicht bereits auf den Absatz von Leistungen des Anbieters/der Anbieterin gerichtet ist.
Zusammenfassung
Der Begriff „Direktwerbung“ ist in Österreich (in Anlehnung an EU-Richtlinie 2006/114/EG) sehr weit zu verstehen und ist immer dann erfüllt, wenn eine E-Mail der Absatzförderung dient. Die Aussendung von Werbe-E-Mails ist grundsätzlich nur mit Einwilligung des Empfängers/der Empfängerin zulässig. Bei der Einholung der Einwilligung sind die Vorgaben der DSGVO zu beachten, sodass sie freiwillig, für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich zu erteilen ist und jederzeit widerrufen werden kann. Die Einwilligung des Empfängers/der Empfängerin ist von dem/der Werbenden zu dokumentieren. Daher hat sich in Österreich die „double-opt-in“ Methode etabliert, bei der Empfänger:innen ihre Einwilligung zur Bewerbung in einer Authentifizierungs-E-Mail noch einmal bestätigen.
6.2.5 Ausnahmen von der Einwilligung – Bestehende Kundenbeziehungen
Die Ausnahme vom Erfordernis der Einholung einer Einwilligung für das E-Mail-Marketing ist in § 174 Abs. 4 TKG 2021 geregelt und bezieht sich auf Direktwerbung im Zusammenhang mit bestehenden Kundenbeziehungen. Nach dieser Bestimmung ist eine vorherige Einwilligung zum E-Mail-Marketing nicht notwendig, sondern der Kunde/die Kundin hat die Möglichkeit, die E-Mail-Werbung abzulehnen („Opt-out“).
Die elektronische Bewerbung ohne Einwilligung ist unter kumulativer Erfüllung der folgenden Voraussetzungen zulässig:
- Erhebung der E-Mail-Adresse des Empfängers/der Empfängerin im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder einer Dienstleistung, und
- klare und deutliche Einräumung der Möglichkeit an den Empfänger/die Empfängerin bei Erhebung seiner/ihrer E-Mail-Adresse und bei jeder der folgenden Versendungen, den Empfang kostenfrei und problemlos abzulehnen, und
- E-Mail-Werbung ausschließlich für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen, und
- Überprüfung der von der Rundfunk- und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR-GmbH) geführten sog. „Robinson-Liste“ oder „ECG-Liste“, in der der Empfänger/die Empfängerin nicht eingetragen sein darf.
Sämtliche der vorstehenden Voraussetzungen müssen gleichzeitig erfüllt sein, um zulässigerweise E-Mail-Marketing ohne Einwilligung betreiben zu können.
Einer vertieften Auseinandersetzung bedarf es in diesem Zusammenhang mit der Voraussetzung der Bewerbung „eigener ähnlicher Produkte oder Dienstleistungen“. Was genau darunter zu verstehen ist, wird im österreichischen Schrifttum unterschiedlich beantwortet. In jedem Fall gilt hier, dass der konkrete Inhalt der Werbe-E-Mails entscheidend und jeder einzelne Fall genau zu beleuchten ist.
Wurde die E-Mail-Adresse des Empfängers/der Empfängerin z.B. im Zusammenhang mit einem Seminar erlangt, dürften die nachfolgenden E-Mails jedenfalls Informationen über weitere bevorstehende Seminare oder neue Informationen zu Inhalten abgehaltener Seminare enthalten. Eine Werbung für ein Produkt des/der Werbenden, der/die neben Seminaren auch Produkte vertreibt, die mit den abgehaltenen Seminaren und Seminarinhalten in keinerlei Zusammenhang stehen, wäre unseres Erachtens nicht mehr als „eigenes ähnliches Produkt“ oder „eigene ähnliche Dienstleistung“ einzuordnen und dürfte daher ohne Einwilligung des Kunden/der Kundin nicht per E-Mail beworben werden.
Eine aus unserer Sicht gute und belastbare Näherung zur Auslegung des Tatbestandelements „eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen“ ist, sich aus der Perspektive der Empfänger:innen die Frage zu stellen, mit der Bewerbung welcher Produkte und Dienstleistungen die Empfänger:innen bereits bei der ersten Bestellung eines Produkts bzw. der ersten Inanspruchnahme einer Dienstleistung rechnen konnten und an welchen Informationen sie demnach ein potentielles Informationsinteresse haben konnten. Diese Einordnung hängt sodann gewissermaßen vom Produkt- bzw. Dienstleistungssortiment auf der einen Seite und von der konkreten „Erstbestellung“ auf der anderen Seite ab.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist es auch zu beachten, dass immer nur eigene ähnliche Produkte und Dienstleistungen, nicht jedoch fremde beworben werden dürfen. Das heißt, es muss zwingend Identität zwischen Leistungserbringer:in und Werbenden/Werbender bestehen.
Von besonderer Relevanz ist ferner die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Empfänger:innen, sich von Maßnahmen des E-Mail-Marketings problemlos und kostenfrei wieder abmelden zu können. In diesem Zusammenhang ist zu empfehlen, Empfänger:innen von E-Mail-Werbung in jeder Nachricht z.B. mittels anzuklickenden Links die Möglichkeit zu geben, sich von der weiteren E-Mail-Korrespondenz abzumelden. Die Empfänger:innen können mangels Formvorschriften aber nicht an ein bestimmtes Procedere gebunden werden. Es wird daher für eine Abmeldung auch reichen, wenn die Empfänger:innen trotz Abmelde-Links im E-Mail ihre Abmeldung als Antwort-E-Mail auf die übermittelte E-Mail erklären.
Die Abmeldung sollte ohne Wechsel des Kommunikationsmittels möglich sein (sofern dies technisch möglich ist). Wenn ein Kunde/eine Kundin z.B. auf seinem Mobiltelefon eine Werbe-SMS erhält, ist es für ihn/sie „nicht problemlos“, nicht auf gleiche Art und Weise – nämlich per SMS – seinen/ihren Widerspruch zu erklären, sondern erst auf ein anderes Kommunikationsmittel wechseln zu müssen (OGH 28.09.2021, 4 Ob 95/21f). Die Widerspruchsmöglichkeit zum Empfang von Werbenachrichten muss zudem klar und deutlich kommuniziert werden und sie muss bereits bei Erhebung der Daten bestehen. Es reicht nicht aus, wenn lediglich in den jeweiligen Werbezusendungen die Möglichkeit zur Abbestellung weiterer Zusendungen vorgesehen ist (VwGH 25.03.2009, 2008/03/0008).
Die sog. „Robinson-Liste“ oder „ECG-Liste“ ist in § 7 Abs. 2 ECG geregelt. In diese Liste können sich Personen kostenlos eintragen lassen und deren Bewerbung mittels elektronischer Post wird dadurch grundsätzlich unzulässig. Es ist daher aus Sicht des/der Werbenden unumgänglich, sofern kein Fall des „Opt-In“ vorliegt, vor Versendung von werblichen E-Mails die von der RTR-GmbH geführte Liste einzusehen. Nähere Informationen zur Einsicht in die Liste sind unter https://www.rtr.at/TKP/service/ecg-liste/ECG-Liste_Abfragen.de.html (Stand: 31.01.2022) verfügbar.
Zusammenfassung
Bei bestehenden Kundenbeziehungen bedarf es für die E-Mail-Werbung dann keiner gesonderten Einwilligung der Empfänger:innen, wenn
- der Absender/die Absenderin die Kontaktinformation für die Nachricht im Zusammenhang mit dem Verkauf oder einer Dienstleistung an seine Kund:innen erhalten hat, und
- diese Nachricht zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen erfolgt, und
- die Empfänger:innen klar und deutlich die Möglichkeit erhalten haben, eine solche Nutzung der elektronischen Kontaktinformation bei deren Erhebung und zusätzlich bei jeder Übertragung kostenfrei und problemlos abzulehnen, und
- die Empfänger:innen die Zusendung nicht von vornherein, insbesondere nicht durch Eintragung in die in § 7 Abs. 2 E-Commerce-Gesetz genannte Liste, abgelehnt haben.
6.2.6 Weitere gesetzliche Anforderungen
6.2.6.1 Inhaltliche Anforderungen an die Gestaltung von Werbe-E-Mails
Die Zusendung elektronischer Post zu Zwecken der Direktwerbung ist jedenfalls unzulässig (§ 174 Abs. 5 TKG 2021), wenn die Identität des Absenders/der Absenderin, in dessen/deren Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird, oder keine authentische Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger/die Empfängerin eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann. § 174 Abs. 5 TKG 2021 verweist zudem auf § 6 Abs. 1 ECG. Diese Bestimmung enthält zwei wesentliche Verpflichtungen für Absender:innen von E-Mail-Werbung, nämlich:
- die Kenntlichmachung kommerzieller Kommunikation als solche, und
- die Kenntlichmachung der natürlichen oder juristischen Person, die die kommerzielle Kommunikation in Auftrag gegeben hat.
Diese Verpflichtungen dürfen nicht verletzt werden und die Empfänger:innen dürfen in der Werbeaussendung auch nicht aufgefordert werden, Websites zu besuchen, die gegen diese Bestimmung verstoßen.
§ 7 Abs. 1 ECG enthält eine Präzisierung des § 6 ECG dahingehend, dass die Werbe-E-Mail schon bei deren Abruf im E-Mail-Programm „klar und eindeutig“ als solche erkennbar sein muss. Daraus folgt, dass jede Werbe-E-Mail bereits im „Header“ als solche kenntlich zu machen ist und der werbliche Charakter der Kommunikation nicht verschleiert oder verheimlicht werden darf.
Des Weiteren ist beim E-Mail-Marketing gemäß § 1a Abs. 3 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu berücksichtigen, dass das „Anwerben von Kunden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen per E-Mail, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen ein solches Verhalten gesetzlich gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen“ (siehe Anhang Ziffer 26 zum UWG), als jedenfalls aggressive und daher unlautere Geschäftspraktik gilt und daher unabhängig von einer vorherigen Einwilligung („Opt-In“, siehe oben) unzulässig ist. Insofern geht der Anwendungsbereich des UWG über jenen des TKG 2021 hinaus und ist bei der Ausgestaltung von E-Mail-Marketing stets mit zu beachten.
6.2.6.2 Impressumspflicht und weitere Informationspflichten
Die „klare Erkennbarkeit der Identität des Absenders/der Absenderin für den Empfänger/die Empfängerin“ im Sinne der inhaltlichen Anforderungen an die Gestaltung von Werbe-E-Mails gemäß §°174 Abs. 5 TKG 2021 wird durch die Impressumspflicht für Absender:innen von E-Mail-Werbung in § 5 Abs. 1 ECG flankiert. Diese Impressumspflicht beinhaltet neben Angaben zum Namen oder der Firma des Absenders/der Absenderin, der Anschrift und einer elektronischen Kontaktadresse, insbesondere firmenbuchrechtliche, aufsichtsbehördliche, berufsrechtliche und gewerberechtliche Angaben zum Unternehmen des Absenders/der Absenderin.
In Österreich sind zudem zahlreiche weitere Informationspflichten, insbesondere des Mediengesetzes (MedienG), des Unternehmensgesetzbuches (UGB) und der Gewerbeordnung (GewO) zu berücksichtigen, die sich inhaltlich großteils überschneiden.
Das österreichische MedienG regelt in § 24 Abs. 3 iVm. § 1 Abs. 1 Ziffer 5a.c. eine eigenständige Impressumspflicht, die auf E-Mail-Werbung anzuwenden ist, sofern E-Mails „wenigstens viermal im Kalenderjahr in vergleichbarer Gestaltung verbreitet werden“ (sog. „wiederkehrendes elektronisches Medium“). Inhalt dieser Impressumspflicht sind der Name oder die Firma sowie die Anschrift des Medieninhabers/der Medieninhaberin und des Herausgebers/der Herausgeberin. Die Pflicht zur Veröffentlichung trifft den Medieninhaber/die Medieninhaberin. Sofern der Medieninhaber/die Medieninhaberin auch unter die Bestimmungen und die Impressumspflicht des ECG fällt (siehe oben), können die Angaben zum Impressum gemäß MedienG gemeinsam mit den Angaben zu § 5 ECG zur Verfügung gestellt werden.
Für Medieninhaber:innen jedes periodischen Mediums – dazu gehört auch ein „wiederkehrendes elektronisches Medium“ (siehe oben) – gelten über die Impressumspflicht hinaus weitere Offenlegungspflichten, die in § 25 MedienG geregelt sind. Diese Offenlegungspflichten enthalten insbesondere Informationen zum Unternehmensgegenstand, den vertretungsbefugten Organen des Medieninhabers/der Medieninhaberin, gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnissen sowie der Erklärung über die grundlegende Richtung eines periodischen Mediums (sog. „Blattlinie“). Hier gilt wiederum, dass, sofern der Medieninhaber/die Medieninhaberin auch unter die Bestimmungen und die Impressumspflicht des ECG fällt (siehe oben), die Angaben zur Erfüllung der Offenlegungspflichten gemäß MedienG gemeinsam mit den Angaben zu § 5 ECG zur Verfügung gestellt werden können.
Eine wesentliche Ausnahme von der Offenlegungspflicht besteht gemäß § 25 Abs 5 MedienG für E-Mails inkl. Newsletter, deren Inhalt nicht über die Darstellung des persönlichen Lebensbereichs oder die Präsentation des Medieninhabers/der Medieninhaberin hinausgeht und der nicht geeignet ist, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen. In diesem Fall sind nur der Name oder die Firma, gegebenenfalls der Unternehmensgegenstand, sowie der Wohnort oder der Sitz des Medieninhabers/der Medieninhaberin offenzulegen.
Als eine weitere relevante Bestimmung im Rahmen des Mediengesetzes ist § 26 MedienG zu erwähnen: Diese Bestimmung normiert die Pflicht, entgeltliche Einschaltungen in E-Mails ausdrücklich als solche zu kennzeichnen (und zwar als „Anzeige“, „entgeltliche Einschaltung“ oder „Werbung“), um keinen Zweifel über den entgeltlichen Charakter entstehen zu lassen.
Neben den vorgenannten spezifischen medienrechtlichen Vorschriften gibt es auch unternehmensrechtliche und gewerberechtliche Vorschriften, die im Einzelfall bezogen auf E-Mail-Marketing zu prüfen und gegebenenfalls anzuwenden und zu beachten sind:
- 14 UGB regelt Inhaltserfordernisse für „Geschäftsbriefe und Bestellscheine“ von im Firmenbuch eingetragenen Unternehmen je nach Rechtsform (Kapitalgesellschaften, eingetragene/r Einzelunternehmer:in etc.). Geschäftsbriefe sind alle geschäftlichen Mitteilungen mit bestimmten Empfänger:innen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Mitteilung in Papierform zugeht oder „in sonstiger Weise“, womit in erster Linie E-Mails gemeint sind. Somit ist die Regelung des § 14 UGB auch auf E-Mails, die von im Firmenbuch eingetragenen Unternehmen versendet werden, anwendbar. Die Informationen gemäß UGB überschneiden sich großteils mit jenen des MedienG und des ECG, müssen aber direkt in der E-Mail angeführt werden. Bei diesen Informationen geht es im Wesentlichen um firmenbuchrechtliche Informationen und Informationen über die Gesellschaftsstruktur.
- Gewerbetreibende, die nicht im Firmenbuch eingetragene Unternehmen sind, haben gemäß 63 GewO auf Geschäftsbriefen und Bestellscheinen, die auf Papier oder in sonstiger Weise an bestimmte Empfänger:innen gerichtet sind, ihren Namen und den Standort der Gewerbeberechtigung anzugeben. Die sich aus den §§ 5 und 6 ECG, ergebenden Verpflichtungen werden durch diese Bestimmungen nicht berührt.
Zusammenfassung
Der Absender/die Absenderin einer Werbe-E-Mail hat sich eindeutig zu erkennen zu geben und auf den Werbezweck seiner/ihrer E-Mail klar hinzuweisen. Im E-Mail-Inhalt sind zudem ein Impressum anzuführen und weitere gesetzliche Informationspflichten zu erfüllen. Selbst wenn Empfänger:innen eine Einwilligung zur E-Mail-Werbung erteilt haben, dürfen diese nicht durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen als Kunden angeworben werden.
6.2.7 Sanktionsnormen
Verstöße gegen die Vorschriften über E-Mail-Werbung können zu verwaltungsstrafrechtlichen Geldstrafen bis zu EUR 50.000 gemäß TKG 2021 oder zu Geldbußen gemäß DSGVO bis zu EUR 20 Mio. oder im Fall eines Unternehmens von bis zu 4% seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs führen.
Zudem können Mitbewerber:innen, betroffene Empfänger:innen und in bestimmten Fällen auch Interessen- oder Verbraucherschutzverbände die Verstöße gegen die Vorschriften der E-Mail-Werbung aufgreifen und Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche geltend machen.
6.3 Schweiz
In der Schweiz dienen, im Zusammenhang mit Werbe-E-Mails, das Schweizer Datenschutzgesetz (DSG), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie das Fernmeldegesetz (FMG) als Rechtsgrundlagen.
Vorliegend wird ausschliesslich auf die im Jahr 2023 in Kraft tretende, revidierte Fassung des DSG eingegangen. Für die bis dahin gültige Rechtslage wird auf die 6. Auflage der eco Richtlinie für zulässiges E-Mail-Marketing aus dem Jahr 2016 verwiesen.
6.3.1 E-Mail-Marketing als Datenbearbeitung
Mit der Revision des DSG hat die Schweiz ihr Datenschutzrecht weitgehend – aber nicht vollständig – an die DSGVO angepasst. Es soll nachstehend insbesondere auf die Eigenheiten des «Schweizer Wegs» eingegangen werden.
Da der Versand von E-Mails eine Bearbeitung von Personendaten darstellt, sind die allgemeinen Prinzipien und Grundsätze des Datenschutzes einzuhalten und die Betroffenenrechte auch nach dem Schweizer DSG zu wahren. Die Notwendigkeit, diese Regeln einzuhalten, ergibt sich schon aus dem folgenden Grund: Die Daten, welche für den Versand benötigt werden, müssen ja auf irgendeine Weise erhoben werden. Auch dies ist eine datenschutzrechtlich bedeutende Handlung und muss den genannten Regeln genügen.
6.3.1.1 E-Mail-Marketing als zulässiger Ausdruck der Wirtschafsfreiheit
Zunächst sind für die Bearbeitungshandlungen die allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätze einzuhalten. Diese sind in Art. 6 DSG geregelt und entsprechen denjenigen der DSGVO. Dazu gehören Rechtmässigkeit, Treu und Glauben, Verhältnismässigkeit (zurückhaltende Datenbearbeitung), Transparenz, Richtigkeit, «Privacy by Design» und «Privacy by Default». Im Gegensatz zur DSGVO (wo eine Datenbearbeitung ohne Rechtfertigungsgrund grundsätzlich verboten ist), ist in der Schweiz die Datenbearbeitung erlaubt, solange sie die Persönlichkeit der betroffenen Person nicht widerrechtlich verletzt (Art. 30 DSG). Es handelt sich um einen grundlegenden Unterschied des Schweizer Rechts.
Die Datenerhebung gilt beispielsweise dann nicht als widerrechtlich, wenn der Verantwortliche ein überwiegendes Interesse geltend machen kann (Art. 31 Abs. 1 DSG).
Das kommerzielle Interesse eines Unternehmens, in der freien Wirtschaft mit anderen Marktteilnehmenden zwecks (potentiellem) Vertragsschluss in Kontakt zu treten, ist als berechtigtes Interesse anerkannt. In der Schweiz leitet es sich aus der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 Abs. 1 Bundesverfassung) ab. Die Bearbeitung von Personendaten zum Zwecke der Direktwerbung dient somit einem berechtigten Interesse.
Das berechtigte Interesse des werbenden Unternehmens an der Erhebung respektive Bearbeitung von Daten zwecks Übermittlung von Nachrichten muss darüber hinaus dasjenige der betroffenen Person (Schutz von Adressdaten wie Name, Vorname, E-Mail-Adresse; Schutz vor Belästigung) überwiegen. Dazu Folgendes: Die Erhebung der Adressdaten durch ein Unternehmen muss geeignet sein zur Erfüllung des Zwecks der Werbung, was bei E-Mail-Marketing zu bejahen ist (Geeignetheit). Eine weniger weit gehende aber dennoch im Wesentlichen gleichwertige Alternative zu diesem Vorgehen ist nicht ohne Weiteres ersichtlich (Erforderlichkeit bzw. Subsidiarität).
Schliesslich kann mit Blick auf die Beschaffenheit der Adressdaten von einer erheblichen Gefährdung der Grundfreiheiten der betroffenen Personen keine Rede sein: Erstens handelt es sich um Angaben, die letztlich bloss die Erreichbarkeit der Person begünstigen, aber nicht notwendigerweise Weiteres über die Empfängerin aussagen. Die potentielle Beeinträchtigung der betroffenen Person ist somit nicht erheblich.
Jedenfalls im geschäftlichen Verkehr (Szenario: Empfänger:in ist Arbeitnehmer: in des der Sache nach angeschriebenen Unternehmens, das mit der kommerziellen Kommunikation erreicht wird) gilt Folgendes: Der bzw. die Empfänger:in hat sich willentlich in ein Umfeld begeben, in dem mit solcher (für den bzw. die Arbeitgeber:in in Empfang zu nehmender) Kommunikation zu rechnen war. Das Schutzinteresse des bzw. der Empfänger:in der Nachrichten ist somit von vornherein reduziert
Etwas anders verhält es sich im «B2C»-Kontext, sprich der Kontaktaufnahme zu einem Konsumenten durch ein werbetreibendes Unternehmen. In der Schweiz gilt zunächst der Grundsatz, dass eine Datenbearbeitung in der Regel nicht widerrechtlich ist, wenn die betroffene Person ihre Personendaten allgemein zugänglich gemacht und deren Bearbeitung nicht ausdrücklich untersagt hat (Art. 30. Abs. 3 DSG). Stammt eine E-Mail-Adresse aus öffentlich zugänglichen Quellen, so ist E-Mail-Marketing unter Einhaltung von Art. 30 Abs. 3 DSG aus datenschutzrechtlicher Sicht möglich.
Hat die betroffene Person ihre E-Mail-Adresse jedoch überhaupt nicht oder ausschliesslich einer bestimmten Adressatin zu einem bestimmten Zweck bekanntgegeben, so muss der betroffenen Person der Zweck der Datenbearbeitung zumindest in den Grundzügen erkennbar sein. Dies ist beispielsweise eher anzunehmen, wenn eine betroffene Person ihre E-Mail-Adresse im Rahmen eines Gewinnspiels bekanntgibt und sie vom Datenbeschaffer darüber aufgeklärt wird, dass diese an Dritte zwecks Kontaktaufnahme zu Werbezwecken weitergegeben werden könnte. Wenn ein Unternehmen solche E-Mail-Adressen einkauft, sollte es sich von der Verkäuferin aufzeigen lassen, wie die Verkäuferin die E-Mail-Adressen beschafft hat und ob bzw. wie sie die betroffene Person über deren Weitergabe an Dritte nachvollziehbar informiert hat. Auf keinen Fall sollte man hingegen E-Mail-Adressen verwenden, die aus unbekannten Quellen oder (mutmasslich) gehackten bzw. geleakten Datenbanken stammen.
Nimmt man eine Risikoabwägung vor, so ist zu beachten, dass eine erstmalige, widerrechtliche E-Mail-Kontaktaufnahme im B2C-Bereich nicht vom strafrechtlichen Katalog i.S.v. Art. 60 ff. DSG umfasst ist und in der Regel auch nicht zu Schadenersatzansprüchen führt. Dem Schweizer Recht sind darüber hinaus – im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland – kostenpflichtige Abmahnungen gänzlich fremd. Möchten betroffene Personen – ob nun rechtmässig kontaktiert oder nicht – von ihren Betroffenenrechten (wie Widerspruch oder Löschung) Gebrauch machen, so sind ihnen diese selbstverständlich gleichermassen zu gewähren. Im Zweifelsfall konsultieren Sie bitte eine Fachperson.
Die Datenerhebung und Datenverwendung zum Zwecke von E-Mail-Marketing ist somit zusammenfassend aus datenschutzrechtlicher Sicht regelmässig entweder rechtmässig oder vergleichsweise eher risikoarm. Zwingend zu beachten ist darüber hinaus das UWG, da selbst datenschutzkonforme Kontaktaufnahmen ohne Weiteres «unlauter» sein können.
6.3.1.2 Transparenz schaffen, Betroffenenrechte wahren
Damit eine betroffene Person die eigenen Rechte wahrnehmen kann, muss sie die Datenbearbeitung durch das werbende Unternehmen nachvollziehen können. Transparenz kann mithilfe einer aussagekräftigen Datenschutzerklärung geschaffen werden, in welcher das werbende Unternehmen über die Eckpunkte der Datenbearbeitung (bzw. des E-Mail-Marketings im Besonderen) informiert. Dazu gehört mindestens die Nennung von Folgendem:
- Identität und die Kontaktdaten des Verantwortlichen
- Bearbeitungszwecke (einschliesslich Erläuterung des E-Mail-Marketings)
- Kategorien der zu bearbeitenden Personendaten
- einzelne Empfänger respektive Kategorien von Empfängern (falls Personendaten an Dritte übermittelt werden)
- Staaten oder Regionen, in welche Personendaten übermittelt werden (bei Auslandstransfers); diesfalls auch Nennung, auf welche Garantien oder Ausnahmetatbestände der Verantwortliche sich stützt (beispielsweise auf Standardvertragsklauseln)
Die übrigen Betroffenenrechte (Art. 26 ff. DSG) orientieren sich an der DSGVO, sind aber inhaltlich etwas weniger weitgehend. Dazu gehören:
- das Recht auf Auskunft
- das Recht auf Herausgabe oder Übertragung
- das Recht auf Berichtigung
- das Recht auf Löschung
- das Recht auf Widerspruch
6.3.1.3 Weitere datenschutzrechtliche Pflichten
Wer Personendaten bearbeitet, muss unter Schweizer Recht Betroffene und den eidgenössischen Öffentlichkeits- und Datenschutzbeauftragten (EDÖB) bei Verletzungen der Datensicherheit informieren, falls die Verletzung zu einem hohen Risiko für die Persönlichkeit oder die Grundrechte der Betroffenen führt (Art. 24 DSG). Diese Regelung ist weniger strikt als die DSGVO. Insbesondere fehlen die 72-Stunden-Frist und die Pflicht zur Protokollierung der Verletzung. Vom erforderlichen «hohen Risiko» ist in der Regel nicht auszugehen, wenn limitierte Adressdatensätze aus dem Bestand des werbenden Unternehmens verloren gehen (ist eine Vielzahl von Adressdatensätzen betroffen, könnte eine Kontaktnahme an den EDÖB aus dem Aspekt des Risikomanagements dennoch angezeigt sein).
Neu kennt das Schweizer Recht das «Auswirkungsprinzip». Das DSG wird nun auch für ausländische Unternehmen anwendbar, wenn sich die Datenbearbeitungen in der Schweiz auswirken (Art. 3 Abs. 1 DSG). Damit wird das DSG relevant, wenn sich E-Mail-Marketing an betroffene Personen in der Schweiz richtet.
Unternehmen mit Sitz im Ausland haben darüber hinaus einen lokalen Vertreter in der Schweiz zu bestellen, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: (i) Bearbeitung von Daten von Personen in der Schweiz; (ii) die Bearbeitung steht im Zusammenhang mit Angeboten an diese Personen oder mit der Beobachtung des Verhaltens der Personen; sie ist (iii) umfangreich und regelmässig und ist (iv) hochriskant für die betroffenen Personen (Art. 14 Abs. 1 DSG). Diese Voraussetzungen werden bei E-Mail-Marketing regelmässig nicht erfüllt sein. Im Zweifelsfall konsultieren Sie eine Fachperson.
6.3.1.4 Hohe Bußen für Privatpersonen
Das DSG sieht für diverse datenschutzrechtliche Verletzungen Bußen von bis zu CHF 250’000 vor. Diese umfassen:
- Verletzung von Informations-, Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (Art. 60 DSG)
- Verletzung von Sorgfaltspflichten (Art. 61 DSG)
- Verletzung der beruflichen Schweigepflicht (Art. 62 DSG)
- Missachtungen von Verfügungen (z.B. diejenige des EDÖB) (Art. 63 DSG)
Es kommt eine persönliche Strafbarkeit zur Anwendung, was einen bedeutenden Unterschied im Vergleich zur DSGVO darstellt. Dies bedeutet, dass Bußen nach DSG im Allgemeinen der privaten Person selbst (und nicht etwa dem Unternehmen, für welches sie tätig ist), auferlegt werden. Verfahrensrechtlich werden diese Bußen in einem Strafverfahren und nicht in einem Verwaltungsverfahren durchgesetzt.
Eine schweizerische Besonderheit ist das strenge datenschutzrechtliche «Berufsgeheimnis» i.S. Art. 62 DSG. Geheime Personendaten, von denen eine Privatperson bei der Ausübung ihres Berufs Kenntnis erlangt, dürfen Dritten generell nicht offenbart werden. Ihr drohen anderenfalls Bußen von bis zu CHF 250’000. Streitig ist, ob dieses «kleine Berufsgeheimnis» einzig an das Erfordernis des Geheimnisses anknüpft, oder ob zudem eine Datenschutzverletzung vorliegen muss, damit Tatbestandsmässigkeit vorliegt. Der Kontext indiziert, dass zusätzlich diese (das Gesetz mildernde und deswegen zu beachtende) zusätzliche ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung gilt.
6.3.1.5 Zusammenfassung
Datenschutzrecht bleibt in der Schweiz auch nach der Revision pragmatisch. E-Mail-Marketing wird in der Regel nicht an den datenschutzrechtlichen Vorgaben scheitern, solange das marketingbetreibende Unternehmen transparent informiert und die Rechte der betroffenen Person respektiert (beispielsweise das Recht auf Widerspruch).
6.3.2 E-Mail-Marketing kann unlauter sein
Das UWG bezweckt, den lauteren und unverfälschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten. Unlauter und widerrechtlich ist jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst. Als unlauterer Wettbewerb gilt auch der Versand von unerwünschten E-Mails. Was aus datenschutzrechtlicher Sicht mühelos funktioniert, kann sich folglich dennoch als widerrechtlich erweisen. In der Praxis scheitern E-Mail-Kampagnen auch nicht am DSG, sondern am UWG. Im FMG regelt der Gesetzgeber ergänzend, welche Maßnahmen Fernmeldeanbieter umsetzen müssen, um Marktteilnehmer auf infrastruktureller Ebene vor unlauterem Wettbewerb zu schützen.
6.3.2.1 E-Mail-Marketing als „Massenwerbung“ an Nichtkunden
Gemäß Art. 3 Abs 1. lit. o UWG handelt unlauter, wer Massenwerbung ohne direkten Zusammenhang mit einem angeforderten Inhalt fernmeldetechnisch sendet oder solche Sendungen veranlasst und es dabei unterlässt, vorher die Einwilligung der Kunden einzuholen, den korrekten Absender anzugeben oder auf eine problemlose und kostenlose Ablehnungsmöglichkeit hinzuweisen.
Zunächst ist hervorzuheben, dass einzeln (“manuell”) versandte E-Mails, die sich zum Zwecke der Kontaktanbahnung an eine einzelne und bestimmte Person richten und die allenfalls gar einen individualisierten Inhalt haben, nicht unlauter sind. Nur der massenhafte Versand ist tatbestandsmässig. Der Grund dafür ist ein soziopolitischer: Der Aufwand des werbenden Unternehmens darf nicht ein einzelner Klick sein, während auf Empfängerseite unzählige Empfänger die unerwünschte Nachricht lesen und manuell löschen müssen. Der Zeitaufwand des Versands stünde in krassem Missverhältnis zum (aufsummierten) Zeitraub bei allen Empfängern. Wenn sich aber ein Unternehmen die Zeit nimmt für eine individuelle Kontaktaufnahme, so soll dies in Ordnung sein. One-to-Many ist verboten, One-to-One ist erlaubt. Eine zahlenmässige Festlegung, was «Many» konkret heisst (manchmal wird die Grenze von 50 E-Mails vorgeschlagen), gibt es nach dem schweizerischen Recht nicht. Unlauterkeit wird «wertend» im Einzelfall beurteilt.
6.3.2.2 Voraussetzungen für E-Mail-Werbung bei Nichtkunden
Der Gesetzgeber nennt drei Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit E-Mail-Marketing in Form von «Massensendungen» rechtmässig sind:
- Opt-in einholen (es gibt eine Ausnahme, dazu Anmerkung 1)
- den korrekten Absender angeben und (dazu Anmerkung 2)
- auf eine problemlose und kostenlose Ablehnungsmöglichkeit hinweisen (dazu Anmerkung 3)
Anmerkung 1
- Wer bereits über «warme» Kontakte (Bestandskunden) verfügt, darf diese mit Nachrichten über gleichartige Waren oder Dienstleistungen bis zum Opt-out weiterhin anschreiben (mehr dazu unten, Ziffer 2.c)
- Zum Opt-in: Der Gesetzgeber hat die möglichen Einwilligungsarten nicht näher umschrieben. «Offline» gesammelte Adressdaten werden meist händisch vom Kunden selbst erfasst. Adressangaben, die man aus Visitenkarten zieht, welche man z.B. an einer Konferenz erhalten hat, wird man im Lichte der UWG-Regel graduell legitimieren müssen (zunächst im Einzelversand die Gelegenheit zum Opt-Out schaffen und das fehlende Opt-Out dann als Einwilligung behandeln), um komplette Rechtssicherheit zu erlangen. Die Praxis zeigt, dass jedenfalls in der Schweiz diesbezüglich wenig Empfindlichkeit an den Tag gelegt wird. In anderen Rechtsordnungen kann dies allerdings anders sein.
- Erfolgt die Anmeldung «online», so würde aus UWG-Sicht ein «Single-Opt-In» genügen. Aus Beweiszwecken empfiehlt sich jedoch ein «Double-Opt-In». Dabei gibt der Kunde zunächst seine E-Mail-Adresse in ein Feld ein, versendet das Formular und bestätigt anschliessend in der erhaltenen E-Mail mit dem Klick auf einen Link, dass er tatsächlich in E-Mail-Marketing eingewilligt hat. So wird weitgehend sichergestellt, dass der Kunde selbst und nicht eine Drittperson die E-Mail in das Formular eingetragen hat. Dies schützt die Versender von E-Mail-Nachrichten gegen diesen in der Praxis oft vorgebrachten Einwand. («Einwilligung ohne zuordenbares Rechtssubjekt ist ungültig»).
Anmerkung 2:
Das «und» kommt im Gesetzestext aufgrund eines redaktionellen Versehens des Gesetzgebers nicht zum Ausdruck. Gleichwohl müssen alle drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt werden.
Anmerkun 3:
In jeder effektiv verschickten versandten Marketing-E-Mail muss der korrekte Absender genannt und eine einfache Abmeldungsmöglichkeit gewährt werden. In der Praxis ist dies der personalisierte «Unsubscribe»-Link, auf den der oder die Kund:in klicken kann.
6.3.2.3 Voraussetzungen für E-Mail-Marketing bei Bestandskunden
Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG sieht für Bestandskunden Ausnahmen vom Erfordernis der Einwilligung vor. Als Bestandskunde gilt eine Person, die bereits bei einem Unternehmen Waren oder Leistungen bezogen hat. In diesem Fall darf das Unternehmen dem Bestandskunden für ähnliche Waren oder Leistungen (nicht aber für Drittleistungen) auch ohne dessen Einwilligung Werbe-E-Mails verschicken. Voraussetzung ist auch hier, dass der Absender erkennbar ist und eine einfache Abmeldungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt wird.
6.3.2.4 E-Mail-Adressen von Dritten
Wer als Adresshändler Dritten E-Mail-Adressen zum Zwecke des E-Mail-Marketings anbieten möchte, muss sich ebenfalls an die soeben genannten Grundsätze halten (Einwilligung, Absender, Abmeldemöglichkeit). Dies bedeutet, dass der Adresshändler nicht nur die Einwilligung des Kunden für eigene Zwecke, sondern auch für die Weitergabe an Dritte benötigt. Ist der Adresshändler in einer bestimmten Branche tätig (beispielsweise in der «Kosmetik-Branche»), so ist eine solche Zustimmung denkbar und könnte wie folgt lauten:
“Ich möchte in Zukunft von Dritten via E-Mail Informationen und Angebote zu interessanten Kosmetikprodukten erhalten.”
Der Kunde darf und muss in diesem Zusammenhang damit rechnen, in Zukunft Werbung für Gesichtscrèmes zu erhalten, nicht jedoch für Handelsplattformen von Cryptowährungen.
Eine völlig abstrakte Zustimmung für die Weitergabe der eigenen E-Mail-Adresse für jeden erdenklichen Zweck an eine unbeschränkte Anzahl von Dritten ist aus UWG-Sicht nicht undenkbar, sollte jedoch nur zurückhaltend praktiziert werden. Der Grund ist, dass E-Mail-Marketing nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine faktische, soziale Komponente hat. Wer sich von E-Mail-Werbung nur genervt fühlt, wird nicht zum neuen Bestandskunden. Spielt ein Unternehmen mit dem Gedanken, Adressdaten einzukaufen, sollte es sicherstellen, dass es sich hierbei um Daten von Personen handelt, die sich für die eigene Branche im weitesten Sinne interessieren.
6.3.2.5 E-Mail-Adressen aus öffentlichen Quellen
Wer seine E-Mail-Adresse auf einer öffentlich zugänglichen Website publiziert, willigt damit nicht (konkludent) in den Erhalt von Werbe-E-Mails ein. Auch hier sind die obengenannten Grundsätze einzuhalten (Einwilligung, Absender, Abmeldemöglichkeit). Es wird regelmässig an der Einwilligung des Empfängers scheitern. Aus UWG-Sicht ist folglich von der Nutzung von öffentlich verfügbaren E-Mail-Adressen für den Versand von Massenwerbung via E-Mail zu verzichten.
6.3.2.6 Sanktionen bei UWG-Verstößen
Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach Artikel 3 UWG begeht, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 23 UWG). Allerdings gibt es bisher in der Schweiz kein rechtskräftiges Bundesgerichtsurteil zu diesem Tatbestand (Art. 3 lit. o UWG). Das Obergericht des Kantons Zürich verneinte mit Beschluss UE170371 vom 6. März 2018 einen UWG-Verstoß in einem Fall, in welchem eine Anwaltskanzlei aus Peru einem Schweizer Anwalt unaufgefordert drei E-Mails zustellte:
“Mit den sachlich gehaltenen Hinweisen auf die Gerichtsferien in Peru (Urk. 6/1/3), auf den Eintritt von zwei Rechtsanwälten in das Anwaltsbüro (Urk. 6/1/4) und auf das Vorgehen beim Eintrag eines Warenzeichens oder eines Patents in ein elektronisches Register in Peru handelte der Beschwerdegegner 1 jedoch weder täuschend noch in anderer Weise gegen Treu und Glauben verstoßend im Sinne der Generalklausel von Art. 2 UWG und auch nicht in besonderer Weise aufdringlich.”
Der zitierte Beschluss zeigt auf, dass sich ein Gericht in der Schweiz – zumindest in diesem konkreten Fall – nachsichtig zeigte, obwohl der Absender nicht über die Einwilligung des Empfängers verfügte, da der Inhalt der E-Mail nicht offensichtlich aufdringlicher Spam gewesen sein soll.
6.3.2.7 Sperrung von Domain-Namen
Die Revision des FMG im Jahr 2021 ermöglicht der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht den Widerruf oder die Sperrung von Domain-Namen bei UWG-Verstössen (Art. 26a UWG). Dies bedeutet, dass ein Unternehmen in Fällen von unerlaubter Massenwerbung seine Absender-E-Mail-Domain einbüßen kann, wenn dies zur Verhinderung neuer Widerhandlungen notwendig ist. Die betrifft jedoch nur «.ch»-Domains.
6.3.2.8 Zusammenfassung
E-Mail-Marketing ist aus UWG-Sicht möglich. Bei Nichtkunden sind die Grundsätze der Einwilligung des Empfängers, der Erkennbarkeit des Absenders und der Zurverfügungstellung einer Abmeldemöglichkeit zu beachten. Bestandskunden müssen nicht gesondert in den Erhalt von Werbe-E-Mails einwilligen.
6.4 Vereinigtes Königreich
Im Vereinigten Königreich könnten sich Datenschutz und die Regelungen hinsichtlich des rechtskonformen E-Mail-Marketings im Zuge des Brexits ändern. Allerdings gelten aktuell noch die Regelungen des Data Protection Act (DPA) aus dem Jahr 2018. Dieses Gesetz formalisiert das Inkrafttreten der DSGVO im Britischen nationalen Recht und konkretisiert einige Fragen, sodass DSGVO-Regelungen weiterhin Anwendung finden.
Zusätzlich erläutert die Regulation 22 der Privacy and Electronic Communications (EC Directive) Regulations 2003 sehr spezifisch die Bedingungen für ein rechtkonformes E-Mail-Marketing. Laut der britischen Datenschutzaufsichtsbehörde, der Information Commissioner’s Office (ICO) erweitert sich „electronic mail“ auf allen elektronischen Kommunikationswegen, einschließlich Sprachnachrichten und SMS-Nachrichten und neuere Techniken wie sonstige Messenger-Dienste, sowie Nachrichten über soziale Medien, sodass die untengenannten Informationen nicht nur für E-Mails relevant sind, sondern für alle elektronische Marketing-Kommunikationen.
Grundsätzlich gilt im Vereinigten Königreich, dass Datenverarbeitungen verboten sind und demnach nur mit einer gültigen Rechtsgrundlage erfolgen dürfen. Im Rahmen des E-Mail-Marketings werden personenbezogene Daten verarbeitet, wie die E-Mail-Adresse, die Namen und Vornamen der Empfänger, eventuell Titel und die Position in einer Organisation. Auch diesbezüglich wird in der Regulation 2022 deutlich dargestellt, dass E-Mail-Marketing grundsätzlich verboten und nur mit Einwilligung der Betroffenen erlaubt ist.
Wie sieht eine Einwilligung im E-Mail-Marketing aus?
Eine gültige Einwilligung nach DSGVO und DPA 2018 erfolgt nach einer klaren und spezifischen Information und ist freiwillig und aktiv. Für E-Mail-Marketing bedeutet dies:
Information: Die betroffene Person wird klar und einfach über die spezifische Datenverarbeitung informiert, unter anderem darüber, welche Daten verarbeitet werden, wie und zu welchen Zwecken, wer für die Datenverarbeitung verantwortlich ist und über jegliche Empfänger der Daten. Die Information sowie die Einwilligung können mündlich, schriftlich oder elektronisch erfolgen. Da man die Einwilligung mündlich nur schwierig nachweisen kann, wird die elektronische oder Schriftform empfohlen. Bei E-Mail-Marketing kann dies beispielsweise eine Check-Box auf einer Website sein oder ein Papierdokument mit Unterschrift bei einem Messebesuch.
Freiwilligkeit: Die Einwilligung ist nur gültig, wenn sie ohne Zwang erteilt wurde. Dementsprechend dürfen Betroffenen keine Nachteile drohen, wenn sie keine Marketing-E-Mails erhalten möchten. Die Einwilligung gilt als ungültig, wenn Betroffene den Marketing-E-Mails zustimmen müssen, um im Online-Handel einkaufen zu können.
Aktiv: Die Einwilligung ist nur gültig, wenn die betroffene Person aktiv zustimmt. Die Einwilligung darf nicht die Standardeinstellung sein, sondern muss von der betroffenen Person aktiv erteilt werden. Entsprechend erklärt sich der Unterschied zwischen Opt-Out und Opt-In bei Einwilligungen auf Websites, insbesondere bei Cookie Bannern oder spezifisch bei der Einwilligung für Newsletter und E-Mail-Marketing. Opt-Out bedeutet, dass die Auswahlmöglichkeiten der Check-Box auf einer Website bereits ausgewählt sind und die Besucher diese ausklicken müssen, um abzulehnen. Im Rahmen des Opt-Ins sind die Auswahlmöglichkeiten der Check-Box gegenteilig zum Opt-Out noch nicht vorausgewählt. Um zuzustimmen, müssen die Besucher hier aktiv die Check-Box anklicken. Im Rahmen der DSGVO sowie der britischen Gesetzestexte gilt nur das Opt-In Format als rechtskonforme Einwilligung.
Auf Grund dieser strengen Regeln rät auch die ICO (Information Commissioner´s Office)[1] im Vereinigten Königreich von indirekten Einwilligungen ab. Falls die Einwilligung einem Dritten erteilt wurde und nicht direkt dem Verantwortlich, ist der Nachweis der Rechtskonformität der Einwilligung komplizierter und bedeutet ein Risiko für den Werbetreibenden.
Somit gilt die Einholung einer direkten, freiwilligen und aktiven Einwilligung mit klaren und spezifischen Informationen zur Datenverarbeitung als höchste Garantie der Datenschutzkonformität im E-Mail-Marketing.
[1] ICO ist eine unabhängige Behörde des Vereinigten Königreichs zur Wahrung der Informationsrechte im öffentlichen Interesse, zur Förderung der Offenheit von öffentlichen Einrichtungen und des Datenschutzes für Einzelpersonen.
Geht es auch ohne Einwilligung?
Alternativ gilt auch in Großbritannien wie bereits zuvor dargestellt die Ausnahmeregelung der Kundenbeziehung, welche dort auch als „soft opt-in“ bezeichnet wird. Die Voraussetzungen dafür sind ähnlich den oben dargestellten. Zunächst muss die E-Mail-Adresse bei einem Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung erhoben worden sein. Dabei muss die erhebende Stelle dem Nutzer eine einfache Möglichkeit geben, den Marketing-E-Mails zu widersprechen und dies auch in jeder E-Mail anbieten. Der Versender darf dann nur Produkte bewerben, die ähnlich zu den gekauften Produkten oder Dienstleistungen sind.
Die Ausnahme gilt nur für kommerzielles Marketing, sodass Wohlfahrtsorganisationen, politische Parteien oder gemeinnützige Einrichtungen sich nicht auf die Ausnahme berufen können.
Gibt es Ausnahmen für B2B Kommunikation?
Die oben genannten Regeln gelten nicht für Business-to-Business (B2B) Kommunikation. Darunter versteht man Nachrichten an Unternehmen wie juristische Personen, zum Beispiel Personengesellschaften mit beschränkter Haftung. Nicht als Unternehmen in diesem Sinne gelten jedoch zum Beispiel Einzelunternehmer oder einige Personengesellschaften, die stattdessen den gleichen Schutz wie Einzelkunden genießen. Zudem gilt die B2B-Ausnahme nicht für persönliche Postfächer wie vorname.nachname@org.co.uk.
Für weitergehende, spezifische die britische Rechtslage betreffende Informationen empfehlen wir die Lektüre des „Guidance on direct marketing“ der ICO.
Zusammenfassung
Im Wesentlichen stimmen die gesetzlichen Regelungen im Vereinigten Königreich mit denen in der DSGVO überein. Dennoch gilt es Besonderheiten zu beachten und auch die künftige Rechtsentwicklung genau zu beobachten und zu berücksichtigen.